Fick mich
Fick mich
Wiederholungen toxischer Beziehungen
Die Schuhe gehen eine Linie die Strasse runter.
Vorne rechts springt ein Ball über den Füßen eines Jungen, links sind die Mädchen, für die die Drehungen des Fußes, die tippelnden Stöße auf irgendetwas hinweisen sollen. Immer müssen sie sich abmühen. Er muss das nicht, denkt er, erstaunt, wie wenig angenehm sich der Gedanke anfühlt.
Er bläst die Lippen auf, rechts mehr als links, eine Parese, na und. Fick mich. Ein Fick mich Gesicht, das hat er ihr gesagt, in ihr Gesicht, da war doch nichts, nur eine Fläche, gar nicht mal hässlich, in die er es reingesagt hat „Du hast ein Fick mich Gesicht.“ Es war leicht. Sie hat ihn angesehen, er hat es gedacht und gesagt. Er hat gewusst, dass sie einknickt, natürlich, sie ist schon gebrochen, angebrochen. Er mag den Ton, wenn sie weiter reißen, ein zarter, schwebender Laut. Er denkt, es ist ein Laut wie ein Faden, wie ein Faden in einem dunklen Raum, oder ein Kabel, besser ein Kabel, rot vielleicht. Ihm kann er folgen. Wieder gerettet. Sie rettet keiner. Na und. Es hat wohl nichts mit ihm zu tun. Schließlich ist sie ihm gefolgt, er wünschte, sie wäre gegangen. Er berührt sie nur ein wenig am Nackenwirbel oder anderswo, da haben sie es gerne, man kann sie berühren bis sie aufkeuchen, vor, ach egal, vor was. Er leckt ihre Wunden, er ist immer verwundert, wenn sie ihm eine öffnen, als hielte er sie. Er summt beruhigend. Bald ist sie soweit, sie sind immer irgendwann soweit, die Angebrochenen, Aufgebrochenen, die Packungen, er gibt Ihnen eine volle Packung, was wollen sie denn noch?
Er neigt seinen Kopf. Weiter unten rauscht es, eine Lüftungsanlage, vielleicht, es könnte auch die Straße sein oder der Fluß oder… es ist lose, er weiß nicht, warum er davon erzählen soll und wem. Das geht in alle Richtungen, er schaut an sich herunter, ein Kabel denkt er, besser ein Kabel, das kann man anlöten und später wieder abtrennen, manchmal entsteht dann ein Laut, vielleicht auch ein Netz, ein Netz aus Lauten, eine Rettung aus Klage.
Er blickt hinunter auf sie, an sich, an das von ihm losgelöste, es ist groß, er zart. Einmal hat er einen Anzug getragen und von sich gedacht „Ein stattlicher Kerl.“ er eigentlich klein ist und schmächtig. Schmale Schultern, leichte Knochen. Das lässt sie hoffen. Er lügt nicht, sie tun es doch von selber, fast.
Sie zeigen ihm ihre Wunden und er leckt sie, was ist daran falsch. Er lässt sich sinken, in seinem Kopf ist es leicht und dunkel. Er leckt sie, in seinem Speichel ist Salz, er lässt seine Zunge herausgleiten und sie keuchen, manchmal wimmern sie, warum auch nicht. Das ist die Natur, seine.
Sie denken, er ist zart, das haben sie immer gedacht, vielleicht, weil man in ihn soweit fallen kann ohne dass da etwas…er spricht nicht weiter. Angst hat er nicht, er wartet, er hat immer gewartet, bis sie gekommen, angekrochen gekommen, bis zum Rand gekommen sind, dann konnte er ein Wort sagen oder es sein lassen, sie aufatmen, einatmen, sich hochatmen lassen oder den Fall beobachten. Schließlich stößt er sie nicht, er beobachtet nur, wie sie dem Gedanken folgen, sie wollten selber über die Ränder, die flatternden, knisternden, Plastik, de Beukelaer, das reißt leicht. Er kann nichts dafür: Sie tun das für ihn und Gedanken, da wäre dann jemand, der sie…er bläst die Lippen auf, er erinnert sich immer an die Blicke, an die durch den Raum schwebenden Töne, wenn sie bemerken: Er hält sie nicht.
Fick mich, hat er ihr gesagt. Fick mich.
© Judith de Gavarelli 2010