Das Unheim als notwendig zu berührender Ort
Kürzlich las ich in dem Buch “Trauma und Gedächtnis” von Peter Levine das das innere Kollabieren während einer traumatischen Situation die Dimension des Horrors öffnet, die dann als Krypta der Untoten in uns überdauert. Lange bevor ich das wusste, war mir klar, dass ich mit diesem Thema nur arbeiten kann, wenn ich bereit bin, mich als Künstlerin dieser Dimension zu öffnen. Vielen Menschen, deren Ursprungsfamilie kein Heim und keine Zuflucht war, sondern Ort der Bedrohung, kennen die Notwendigkeit, diese Art des Unfassbaren in Worte zu fassen um sie bewegen und transformieren zu können.

Dissoziation und die Nichtorte
Großes Entsetzen schneidet uns auch neurophysiologisch von den Regionen der Sprache und der Verortung in Raum und Zeit ab. So entstehen dissoziative Nicht-Orte in unseren inneren Landschaften, wie wir erkunden und zugänglich machen müssen. Zu erleben, wie Kunst und Literatur dazu beitragen, das aus dem Inneren Unheim ein bewohnbares Haus wird und die Nichtorte zu etwas mit Boden, Erde und Form, erfüllt mich mit dankbarer Verblüffung. So möchte ich jedem, der Nichtorte und Unheim in sich trägt, den Mut meiner Liebe zur Sprache schenken. Denn dahinter wartet Erde, fruchtbare Erde, lebendig und warm.

Erzählungen aus dem Nicht-Ort

Erzählungen aus dem Nicht-Ort –

Versuch einer Abtastung des traumatischen Raums

Textauszug: […] Diese Erzählung beginnt damit, die Sprache zu öffnen, nicht die Sprache im Allgemeinen, sage ich, sondern diese Sprache, die Sprache des leeren Orts. Ich habe kein Interesse daran, über den Nicht-Ort zu schreiben, das klingt vielleicht widersprüchlich, aber ich meine, man schreibt nicht über ihn, man schreibt aus ihm heraus. […] Wenn ich jetzt vom Nicht-Ort spreche oder vielmehr versuche, den Nicht-Ort zu schreiben, spielt es keine Rolle, ob es Mai oder Winter ist, es ist der Ort eines abwesenden Frühlings, auf den kein Sommer, kein Herbst und kein Winter folgt. Es ist ein Ort ohne Welt. […]

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Male

Numbing und der Schatten der Dumpfheit

Meine beiden Eltern sind mitten in den Krieg hineingeboren und haben doch so unterschiedlich reagiert. Dieser Text ist ein Versuch mich einer Variante – der lebenslangen Betäubung – zu nähern. Textauszug […]Er weiß nicht, wie er in ihre Abwesenheit hinein sprechen soll, ihre Abwesenheit und die Anwesenheit von etwas Unbenanntem, er wischt das Wort weg, das ist Frauengeschwätz. Sein Mund fühlt sich gefüllt an mit Wortlosigkeit, würden Frauen vielleicht sagen, er sagt nichts. Seine Zunge tatstet die Füllung im Mund ab, ein Klumpen, er ist substanzlos, aber zäh. Das ist nicht zu begreifen. Er möchte ihn ausspucken, aber er weiß nicht wie. Er öffnet den Mund und wischt mit der Hand davor, eine abwinkende Geste wie die Jungweizenfelder rechts den Wind abwinken, er winkt ab, aber es verschwindet nichts.[…]

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Male

Numbing und der Schatten der Dumpfheit

Meine beiden Eltern sind mitten in den Krieg hineingeboren und haben doch so unterschiedlich reagiert. Dieser Text ist ein Versuch mich einer Variante – der lebenslangen Betäubung – zu nähern. Textauszug […]Er weiß nicht, wie er in ihre Abwesenheit hinein sprechen soll, ihre Abwesenheit und die Anwesenheit von etwas Unbenanntem, er wischt das Wort weg, das ist Frauengeschwätz. Sein Mund fühlt sich gefüllt an mit Wortlosigkeit, würden Frauen vielleicht sagen, er sagt nichts. Seine Zunge tatstet die Füllung im Mund ab, ein Klumpen, er ist substanzlos, aber zäh. Das ist nicht zu begreifen. Er möchte ihn ausspucken, aber er weiß nicht wie. Er öffnet den Mund und wischt mit der Hand davor, eine abwinkende Geste wie die Jungweizenfelder rechts den Wind abwinken, er winkt ab, aber es verschwindet nichts.[…]

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Morgen (Vorsicht! Starke Triggergefahr)

Morgen –

Schuldumkehr und Wirklichkeitsverdrehung während der Tat

Dieser Text enthält so explizite Schilderungen physischer und sexueller Gewalt, dass ich an dieser Stelle auf einen Textauszug verzichtet habe. Er hat mir 2007 sehr geholfen die Dynamik von “blame the victim” Strategien von Tätern während Traumatisierungen zu verstehen. Diese Umdeutungen des tatsächlichen Geschehens machen es extrem schwer, eine Tat überhaupt erstmal als solche zu begreifen. Auch die Vermischung von alltäglicher Kommunikation und scheinbar aus dem Nichts kommender, bezugloser Gewalt verstärkt die weißen inneren Blasen der Unbegreiflichkeit, die für viele Opfer so schwer zu durchdringen sind.

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Die Königin – der Weisspalast der Dissoziation

Textauszug: […] Mein Vater, der die Augen meines Vaters trägt und seine Hände, seinen Mund, mein Vater ist mein geheimer Junge.

Meine Mutter nennt ihn, wie sie auch seine Familie nennt. Meine Mutter nennt ihn: “Schuld” mit allen Sätzen. Mir, die ich seine Stimme, seine Augen, seine Stirn habe, gibt sie mit vielen Worten denselben Namen, den ich nicht tragen will, auch wenn er zuzeiten nach Macht riecht. Darum nenne ich Ihn, meinen Vaterjungen, mit ungesprochen Worten “Unschuld” und er dankt es mir, indem er in das Haus meiner Mutter mit seinen Vaterhänden ein zweites, ein nebelweißes baut. In dem wohnen zusammen nur: ER und ich. […]

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Die Königin – der Weisspalast der Dissoziation

Textauszug: […] Mein Vater, der die Augen meines Vaters trägt und seine Hände, seinen Mund, mein Vater ist mein geheimer Junge.

Meine Mutter nennt ihn, wie sie auch seine Familie nennt. Meine Mutter nennt ihn: “Schuld” mit allen Sätzen. Mir, die ich seine Stimme, seine Augen, seine Stirn habe, gibt sie mit vielen Worten denselben Namen, den ich nicht tragen will, auch wenn er zuzeiten nach Macht riecht. Darum nenne ich Ihn, meinen Vaterjungen, mit ungesprochen Worten “Unschuld” und er dankt es mir, indem er in das Haus meiner Mutter mit seinen Vaterhänden ein zweites, ein nebelweißes baut. In dem wohnen zusammen nur: ER und ich. […]

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Ratten – Trauma und Weltverlust

Momentaufnahme bei der Suche nach Weltwiedergewinnung

Eine der schrecklichsten Folgen von Trauma ist, dass ein Stück Welt abhanden kommt. Genesung ist deshalb vor allem das Wiedererlangen der Fähigkeit, die Welt wirklich anwesend in all ihrer Intensität zu erfahren. Diesen Weltzugang habe ich 2008, als er als Folge einer Retraumatisierung in der Therapie nur selten möglich war, mit der Metapher “Tor” bezeichnen können.

Textauszug […] Ich bin gerne da. Ich sehe dann die Kreise, die nackte Körper im beleuchteten türkisfarbenen Wasser zeichnen, ich sehe sie sonst auch, aber anwesend machen sie einen Sinn, welchen ist schwer zu erklären. Am ehesten machen sie vielleicht einen Bewegungssinn, einen huschenden, pulsierenden Sinn, den auch eine schlagende Ader macht. Ich bin gerne da und leide unter meiner Abwesenheit, die eigentlich geschaffen ist, einem Leid zu entkommen. […]

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Allerleirau – die Zielgerichtetheiten

Eine Erzählung über das In-eins-Fallen von Fürsorge und Gewalt

Diese Erzählung taucht tief in eine Beziehungsdynamik ein, bei der Genährtwerden und Destruktion fließend ineinander übergehen. Textauszug:[…] Ich saugte diese Sicherheit und bemerkte erst spät, dass wir uns nur verbrauchte Luft in die Lungen bliesen. In der weichen Benommenheit brauchte es ewig, bis mein Gehirn den Gedanken formen konnte, dass auch das Ersticken war, auch das. Und als ich es wusste, gab es dann keinen Willen mehr, der sich gegen den Wunsch hätte auflehnen können, mit Johanna in eine allumfassende Ohnmacht zu gleiten, hin zu dem Ort, wo sie mir das Wissen der Fische erzählen würde. […]

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Allerleirau – die Zielgerichtetheiten

Eine Erzählung über das In-eins-Fallen von Fürsorge und Gewalt

Diese Erzählung taucht tief in eine Beziehungsdynamik ein, bei der Genährtwerden und Destruktion fließend ineinander übergehen. Textauszug:[…] Ich saugte diese Sicherheit und bemerkte erst spät, dass wir uns nur verbrauchte Luft in die Lungen bliesen. In der weichen Benommenheit brauchte es ewig, bis mein Gehirn den Gedanken formen konnte, dass auch das Ersticken war, auch das. Und als ich es wusste, gab es dann keinen Willen mehr, der sich gegen den Wunsch hätte auflehnen können, mit Johanna in eine allumfassende Ohnmacht zu gleiten, hin zu dem Ort, wo sie mir das Wissen der Fische erzählen würde. […]

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Türkis, zumindest – Szenen einer Triggerfacette

Türkis, zumindest

Szenen einer Triggerfacette

Dieser Text war eines der spannendsten Sprachexperimente für mich. So schrecklich es ist, ist es auch ein faszinierendes Erlebnis von etwas, das sih wie “Nicht-Ich” anfühlt, aber gleichzeitig von “Ich” wahrgenommen wird.Mit der Sprache in einen Triggerzustand zu schlüpfen ist so, als würde man in einen viel älteren Teil seines Gehirns schlüpfen, abwärts, ins Kleinhirn und prozedurale Gedächtnis vielleicht, in die ganz archaischen Strukturen, die normalerweise weit außerhalb von Sprache liegen. Als ich den Text einem Freund vorlas sagte er mir, für ihn wäre das wie ein direkter Zugang zu den Empfindungswelten seiner autistischen Tochter. Vielleicht, so hoffe ich, ermöglicht es dem ein oder anderen Zugänge zu etwas, das sich normalerweise jedem Zugang entzieht. Und trotzdem aus dem Riss der Verletzung aufsteigen kann, immer wieder.

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Fick mich (Achtung, Trigger!) 

Toxische Beziehungswiederholungen

Textauszug: […] Er bläst die Lippen auf, rechts mehr als links, eine Parese, na und. Fick mich. Ein Fick mich Gesicht, das hat er ihr gesagt, in ihr Gesicht, da war doch nichts, nur eine Fläche, gar nicht mal hässlich, in die er es reingesagt hat „Du hast ein Fick mich Gesicht.“ Es war leicht. Sie hat ihn angesehen, er hat es gedacht und gesagt. Er hat gewusst, dass sie einknickt, natürlich, sie ist schon gebrochen, angebrochen. Er mag den Ton, wenn sie weiter reißen, ein zarter, schwebender Laut. […]

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Fick mich (Achtung, Trigger!)

Toxische Beziehungswiederholungen

Textauszug: […] Er bläst die Lippen auf, rechts mehr als links, eine Parese, na und. Fick mich. Ein Fick mich Gesicht, das hat er ihr gesagt, in ihr Gesicht, da war doch nichts, nur eine Fläche, gar nicht mal hässlich, in die er es reingesagt hat „Du hast ein Fick mich Gesicht.“ Es war leicht. Sie hat ihn angesehen, er hat es gedacht und gesagt. Er hat gewusst, dass sie einknickt, natürlich, sie ist schon gebrochen, angebrochen. Er mag den Ton, wenn sie weiter reißen, ein zarter, schwebender Laut. […]

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Er berührt sie

Versuch über das Vergessen

Das ist ein alter Text von 1999 bei dem ich noch deutlich weniger über die Neurophysiologie von posttraumatischen Amnesien wußte, aber mich der Wirklichkeitsverdrehung bei der Verarbeitung übergriffiger Berührungen angenähert habe. Ein Jahr vorher hatte ich einen Gewaltübergriff in einer Psychotherapie erlebt, für dessen traumatischen Kern ich auch eine Zeit lang amnestisch war.

Textauszug […] Er berührt sie und weil diese Berührung ohne ein Wollen ihrerseits geschieht berührt er sie nicht: er fasst sie an. […]

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Caput mortuum

Über Vergangenes und Totes, das in unserem Nervensystem geisternd auf Erlösung wartet

Textauszug: […]Über den Boden kriechen die Toten. Natürlich tun sie das nicht. Ihre schleichende Bewegung ist kaum zu sehen. Sie möchten schlafen, endlich. Natürlich ist da nichts. Ich bin der Kunst dankbar, dass ich von Geistern schreiben kann, die es gibt und nicht gibt, da, hier, zur gleichen Zeit. In der Kunst bin ich dankbar für dieses Rätsel. […]

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Caput mortuum

Über Vergangenes und Totes, das in unserem Nervensystem geisternd auf Erlösung wartet

Textauszug: […]Über den Boden kriechen die Toten. Natürlich tun sie das nicht. Ihre schleichende Bewegung ist kaum zu sehen. Sie möchten schlafen, endlich. Natürlich ist da nichts. Ich bin der Kunst dankbar, dass ich von Geistern schreiben kann, die es gibt und nicht gibt, da, hier, zur gleichen Zeit. In der Kunst bin ich dankbar für dieses Rätsel. […]

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