Zeugin von Tag 1 an: Vulkanausbruch von La Palma 2021
Am 18 September 2021 flog ich, einem drängenden inneren Ruf folgend, zurück in meine Wahlheimat La Palma. Weniger als 24 Stunden nach meiner Ankunft brach der Vulkan aus. Nur einige Stunden später machte ich mein erstes Foto von der Rauchsäule, die sich hinter den Häusern meines Dörfchens Tazacorte wie eine die Insel küssende Feuergöttin erhob. In dem Moment ahnte ich ebenso wenig wie die meisten, das mehr als 2700 Häuser ausradiert würden von den zuerst roten und dann schwarzen Linien, die die Landschaft fragmentieren. Über drei Monate glänzte und wütete der Vulkan und es verging kein Tag, an dem ich keine Fotos machte oder poetische Reflexionen veröffentlichte. 90% meiner engen Freunde verloren ihren Lebensort. Beinahe 20000 der 80000 Einwohner  wurden mit einem Mal obdachlos und waren ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage beraubt. Und noch viel mehr mussten über Monate inmitten des ständigen Fauchens des Vulkans und der permanenten Erdbeben die von Aschenpartikeln und Gasen gesättigte Luft atmen. Mein Wohnort wurde durch das Weihnachtswunder von La Palma, das Ende des Ausbruchs am 25 Dezember 2022, verschont.

Mit Kamera, Körper und Worten dabei
Ich hatte mich schon vor dem Vulkanausbruch über Jahre intensiv mit individuellem und kollektivem Trauma beschäftigt. Unfreiwillig sowohl Teil dieser immensen Naturkatastrophe zu sein hatte etwas von einer unausweichlichen Aufforderung. Es war wie eine Berufung in den Zeugenstand oder ein Forschungsauftrag, den ich nicht ablehnen konnte.  Ich konnte an mir und meiner nächsten Umgebung in so konzentrierter Form beobachten, wie sich die Traumabewegungen vom ersten Tag an bis zur unendlich schweren Phase des Wiederaufbaus und der noch schwereren Phase der emotionalen Regeneration in so einer komprimierten Gesellschaft wie La Palma entfalten. Ich war Chronistin, Beobachterin, verarbeitende Künstlerin – und Beteiligte, deren Körper noch Monate danach in der inneren Wiederholung der Erdbeben zitterte. Aufforderung, Bürde, Geschenk. Ich hoffe sehr, im Laufe der Zeit die zahllosen Texte und Fotos hier so zeigen zu können. Vielleicht gelingt es so, etwas von den viel leiseren, aber nicht minder tiefen Abdrücken in der Insel und den Menschen hier zu vermitteln, als mit den lauten, kriegsähnlichen Bilder, die um die Welt gingen. Und ich hoffe noch mehr über die Zeit ein wenig von dem aufzeichnen zu können, was eine Gesellschaft genesen lässt.