Türkis, zumindest
Türkis, zumindest
Szenen einer Triggerfacette
Es schweigt. Es sieht nichts als die Linie des silbrigen Balles, der es folgt, folgt von oben nach unten, daran hängt ein Junge. Er ist nicht wichtig, auch der andere nicht über dieser Linie des kleinen Koffers auf dem Boden, der schlenkernden Linie seiner Rollen, so etwas versteht es, das andere nicht. Die Frau, die die Sichtbahn kreuzt, hat große Brüste, die sieht es nicht, es sieht die Bewegung, die Vorwölbung in die Luft unter dem Weißen, was darüber spannt.
Den Rest versteht es nicht. Es hört Geräusche. Manchmal fragt es sich, ob jemand spricht, es muss jemand sprechen, schwäbisch, es kann sogar sagen schwäbisch, aber es hört kein Wort. Eine Tasche rennt mit einem Mädchen, türkis, das ist die nicht die richtige Bezeichnung, das könnte alles sein. Es ist die Farbe wie das Eis in den Automaten, das sich dreht, dreht, es ist eine Farbe, die mit kleinen Mädchen läuft, mit Jungen auch, aber seltener. Das Mädchen greift in die Luft, das versteht es, es ist immer etwas zu greifen dort, wo die Geräusche wie Fäden aufsteigen. Es folgt Ihnen vorsichtig mit der Gesichtshaut, rechts, es erkennt etwas, es glaubt, die Fäden sind grün, wie Algen, nur heller. Es berührt die Luft. Eine Tasche schwenkt den Arm eines Jungen, schwarz mit rot,
Es wendet den Kopf und stockt mitten in der Bewegung. Das Türkis, eigentlich nicht das Türkis, die Farbe mit der sich das Eis dreht, die läuft aus der Ecke raus mit einer Frau. Das ist nicht richtig, hört das denn keiner, die Farbe stößt einen schrillen Ton aus, so falsch ist das, so falsch. Es möchte ihr mit dem Stift eine Linie in den Rücken reißen, das ist falsch, so eine Farbe läuft nicht mit Frauen, Frauen, es berührt die Ohren, das Kreischen schwillt. Vielleicht macht es auch Geräusche, vielleicht, natürlich, der Mund ist ja geöffnet, da kommt Luft raus, sicher auch ein Ton, es kann ihn nicht hören, aber es sieht ihn vor sich, gar nicht so weit weg, ganz nah am Mund. Es öffnet ihn weiter, seine Stimme schlägt über, über etwas, in etwas hinein, schrill und hell in die Stummheit hinein wie ein Nagel, der auf Glas abrutscht, nein, kein Nagel, ein Zahn, besser ein Zahn. Es hält die Luft an, steckt sich die Finger in die Ohren und schließt die Augen, luftlos, fest. Im Mund zählt es die Zähne, mit der Zunge, die zittert, ihm ist kalt. Am vorderen Schneidezahn fehlt ein Stück, hinten sind sie rau, an der Seite spitz. Erst unten, dann oben.
Die Reihe ist zuende, es öffnet die Augen, einen Spalt, einen Zahnspalt, zitternd, lauernd, es überprüft die Strasse: die Frau ist fort. Es beginnt langsam wieder zu atmen. Da ist noch Luft. Ein gelber Beutel geht mit den braunen Armen eines Jungen bis zu der aschweißen Ecke, leise, nicht ohne Geräusche, aber nicht laut. Es atmet vorsichtig und hält die Hand in Richtung des Gelben, der Beutel dreht sich, vor den Augen steigt ein Geräusch. Es sieht eine schlierige Linie. Leise. Leise. Zumindest diesmal nicht laut.
(Judith de Gavarelli, Februar 2010)