Yehudit Sasportas: die Archäologin des Unbewußten

Über das Rumoren kollektiver Traumata in uns

Ausgrabungen des Unsichtbaren
Einer ganz eigenen Dimension von ZeugInnenschaft gegenüber kollektiven Unsichtbaren widmen sich die Arbeiten der 1969 geborenen israelischen Künstlerin Yehudit Sasportas. Die Sedimente kollektiver Traumata im Unbewussten von Kulturen, ihr Rumoren und wieder erwachen sind Teil ihrer ästhetischen Forschung in Fotografien und mit Sound begleiteten Rauminstallationen. Häufig großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen Strukturen, die aus der Natur oder dem Körper kommen könnten. Dazu rumort es, bewegt sich in unseren Sinnen, verdichtet sich, löst sich wieder auf. Wie eine Archäologin gräbt sie den Bodensatz von Substrukturen aus, von Unsichtbarem, dem man sich nur über die Wiederhall anderer Strukturen im eigenen Innen annähern kann. Die Auseinandersetzung mit Naturstrukturen wirkt dabei gleichsam wie ein Tor zum individuellen Unbewußten, das mit den Fundstücken resoniert. Das wiederum scheint für sie Passage ins kollektive Unbewußte zu sein, das im Individuum wie eine unsichtbare Zeichnung wirkt.

Der Wiederhall kollektiver Trauamta im eigenen Unbewußten
Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Thomas Hübl erforscht sie die Dynamik kollektiver Traumatisierungen. Die Geste ihrer Arbeiten erinnert an das Freilegen Palimpsesten, bei denen oberflächlich liegende Schichten abgetragen werden und nach ausradierten, in der Tiefe liegenden Schriften geforscht wird. Großformatige schwarz-weiß Bilder eines Sumpfes lassen an die Sümpfe im eigenen vergessenen oder Nie-ganz-Bewussten denken. Sie brauchen die Unerschrockenheit und Geduld einer beharrlich Ausgrabenden, die bereit ist, die Überreste kollektiver Traumata in Form eines “Das gibt es auch in mir” zu bezeugen. Im ” Liquid desert project” arbeitet sie an der Kartografierung des weltweiten Unbewussten in 69 Räumen. Die Arbeiten verweisen gleichsam auf die überpersönliche Bedeutung des Zeugen wie die Subjektivität. Der Weg in eine Falkenperspektive auf überpersönliche Prozesse führt bei ihr durch einen Tauchgang, bei dem nicht die Moorleichen und verlorenen Schätze der anderen geborgen werden, sondern die im eigenen ich.