
Die Suche nach einer Sprache, die zu den Adern spricht
Ursprünglich wollte ich diese Rubrik “experimentelle Texte” nennen. Denn die Textgattung fällt offiziell am ehesten unter den Begriff “experimentelle Prosa”. Sie bewegt sich zwischen Narration, Essay und Poesie und mäandert zwischen unterschiedlichen Texturen und Aggregatzuständen. Aber der Begriff “experimentelle Prosa” ist zwar korrekt, scheint mir aber viel zu wenig über meine eigentliche Suche zu erzählen. Denn die ist vielmehr das , was eine Freundin einmal so formulierte: “Deine Texte scheinen direkt zu meinen Adern zu sprechen”. Der Körper mit seinem Nervensystem, den Muskeln, Aderngeflechten und ganzen physiologischen Wundern spielt eine große Rolle bei meiner literarischen Arbeit.
Subkortikales Schreiben oder “Schreiben am Meersaum”
Was mich antreibt ist der Versuch, mit der Sprache die Träume jenseits von Sprache zu erreichen. In der neurophysiologischen Fachsprache der Traumaforschung würde man das vielleicht die “Zonen des emotionalen und prozeduralen Erinnerns” nennen. Sie beinhalten Erinnerungen unterhalb der entwicklungsgeschichtlich jüngeren Strukturen unseres Bewusstseins, dem Cortex. Als ein Mensch mit großer Forschungsliebe und viel Begeisterung für die Neurophysiologie bezeichne ich deshalb diese Art des Schreibens als “subkortikales Schreiben”. Oder um es mit der poetischen Sprache von Marguerite Duras zu bezeichnen als “ecrire au marge, au borde de la mer” – “Schreiben am Rande, am Meersaum”.
Erzählungen aus dem Nicht-Ort
Erzählungen aus dem Nicht-Ort –
Versuch einer Abtastung des traumatischen Raums
Textauszug: […] Diese Erzählung beginnt damit, die Sprache zu öffnen, nicht die Sprache im Allgemeinen, sage ich, sondern diese Sprache, die Sprache des leeren Orts. Ich habe kein Interesse daran, über den Nicht-Ort zu schreiben, das klingt vielleicht widersprüchlich, aber ich meine, man schreibt nicht über ihn, man schreibt aus ihm heraus. […] Wenn ich jetzt vom Nicht-Ort spreche oder vielmehr versuche, den Nicht-Ort zu schreiben, spielt es keine Rolle, ob es Mai oder Winter ist, es ist der Ort eines abwesenden Frühlings, auf den kein Sommer, kein Herbst und kein Winter folgt. Es ist ein Ort ohne Welt. […]

Johanna, Kanäle
Hypovgilanz, Lustöffnungen und subkortikales Schreiben
Wenn ich von all meinen Texten einen aussuchen müßte, mit dem sich in meinem Schreiben am meisten geöffnet hat, dann wäre es dieser. Er hat mich verstehen lassen, dass ich immer auf der Suche bin nach einem Schreiben, das tief in den Köerper eintaucht. Einer der Begriffe, die ich dafür gefunden habe, ist “subkortikales Schreiben” – ein Schreiben unterhalb der Zonen, wo wir sagen können “Ich”. Der Text ist ein Ringen um Öffnungen zu den Tränen, sexueller Lust und dem “flüssiger Werden”. Textauszug: […] Manchmal langweile sie sich, würde sie sagen, damit beginnt es, beginne es immer, es gefiele ihr nicht. Es gefiele ihr nicht, sagt sie, es sei auch ein Nichtwissen, wie es ginge, gehen könnte, anders gehen könnte oder ob überhaupt. […]

Johanna, Kanäle
Hypovgilanz, Lustöffnungen und subkortikales Schreiben
Wenn ich von all meinen Texten einen aussuchen müßte, mit dem sich in meinem Schreiben am meisten geöffnet hat, dann wäre es dieser. Er hat mich verstehen lassen, dass ich immer auf der Suche bin nach einem Schreiben, das tief in den Köerper eintaucht. Einer der Begriffe, die ich dafür gefunden habe, ist “subkortikales Schreiben” – ein Schreiben unterhalb der Zonen, wo wir sagen können “Ich”. Der Text ist ein Ringen um Öffnungen zu den Tränen, sexueller Lust und dem “flüssiger Werden”. Textauszug: […] Manchmal langweile sie sich, würde sie sagen, damit beginnt es, beginne es immer, es gefiele ihr nicht. Es gefiele ihr nicht, sagt sie, es sei auch ein Nichtwissen, wie es ginge, gehen könnte, anders gehen könnte oder ob überhaupt. […]
Ohren, Nacht
Ohren, Nacht
Verlust und die Öffnung ins Unbenannte
Ich weiß nicht, ob Verluste für Menschen besonders schlimm sind, die auf wankendem Boden aufgewachsen sind. Aber vielleicht entsteht da noch mehr Notwendigkeit, sich auf etwas beziehen zu können, was außerhalb einer konkreten menschlichen Bindung steht. In einer der größten Verlusterfahrungen hat sich für mich mit einem Mal mein Bezug zu etwas Überpersönlichem geöffnet und es scheint mir seitdem, als würden wr das in der Liebe immer tun. Textauszug: […] Wie wäre es, wenn das Ohr die Nacht wäre, wenn da niemand wäre, nur die Nacht? Wie wäre es, wenn ich in dieses Dunkel hineinsprechen würde und es mir antwortete, mütterlich, nein, ich will nicht sagen mütterlich, eher: wie Milch. Wie wäre es, wenn ich dahinein Worte richten würde, Du weißt warum ich das frage, wer würde mir da entgegensprechen? […]

Eine Welt aus Fuss
Was uns Schmerzen über die Angstfreiheit unseres Gegenwartsinnes lehren können
Unterschiedliche akute oder chronische Schmerzen sind eine besonders häufige Traumafolge. So entsetzlich belastend das auch ist, haben intensive Schmerzerlebnisse in meinem Leben tatsächlich auch Türen geöffnet. […]So seltsam es ist: aus Schmerzen kann man auch Kraft ziehen. Nicht, dass ich nicht trotzdem, und mit aller Intensität wollte, dass sie aufhören. Aber wenn es durch irgendeine seltsame Gnade gelingt, durch den Schmerz hindurch die reine Bedeutung von „Ich bin da. Ich lebe, fühle und bin da. ” zu spüren, dann kann das Kraft geben. […]

Eine Welt aus Fuss
Was uns Schmerzen über die Angstfreiheit unseres Gegenwartsinnes lehren können
Unterschiedliche akute oder chronische Schmerzen sind eine besonders häufige Traumafolge. So entsetzlich belastend das auch ist, haben intensive Schmerzerlebnisse in meinem Leben tatsächlich auch Türen geöffnet. […]So seltsam es ist: aus Schmerzen kann man auch Kraft ziehen. Nicht, dass ich nicht trotzdem, und mit aller Intensität wollte, dass sie aufhören. Aber wenn es durch irgendeine seltsame Gnade gelingt, durch den Schmerz hindurch die reine Bedeutung von „Ich bin da. Ich lebe, fühle und bin da. ” zu spüren, dann kann das Kraft geben. […]
Makel, lange genug
Von der Zärtlichkeit gegenüber unseren Versehrtheiten
In der Zeit, als dieser Text entstanden ist, war ich sehr oft in der Sauna. An diesem Tag wurde mir bewusst, wie groß meine Gerührtheit über menschliche Brüche, Versehrtheiten und Unvollkommenheiten ist. Das hat mir auch ein anderes Verhältnis zu meinen eigenen Wunden gegeben. Ich hoffe, von dieser Wunden Zärtlichkeit etwas weitergeben zu können.
Textauszug […]…es ist auf eine tröstliche Weise schön, das Misslingen, dieses leichte, in den Körper eingeschriebene Misslingen, unser Angehen, sich Auflehnen dagegen, das Misslingen und die Scham. Die Scham, die kleine, immer offene Wunde des Fehlers, des Makels, des Verfehlten, all der feinen, tröstlichen Brüche in der erschlagenen Größe des Gelingens. […]

Kragenspeck (Vorsicht, Trigger)
Transgenerationale Weitergabe von Verachtung
Wie viele der Texte ist auch dieser fiktiv und biographisch zur gleichen Zeit. Letzteres, weil ich die Dynamiken bis in jede Zelle kenne. Ersteres, weil die Fakten viel weniger wichtig sind als die Muster und Bewegungen, die die Texte spiegeln. Textauszug: […] Sie versucht zu sagen, was es sein könnte, wie sie sich es wünscht und es ist wie ein Weinen in eine Zukunft hinein, eine bessere. Sie öffnet drängend und erklärend den Wortkanal, den sie der Mutter anreicht, hinüberreicht, zu Füßen legt. „Du hast Kragenspeck.“, sagt die Mutter. […]
Gehen, eine Liebesgeste
Gehen, eine Liebesgeste –
Über die Urgeste des Weitermachens
Trauma bedeutet ja nicht nur “Etwas ist geschehen.”. Vielmehr bedeutet es, sich danach unversehens in einem inneren entsetzlichen Ort zu landen, wo wir keine Idee haben, wie wir uns von dort wegbewegen können. Trauma bedeutet fast immer, danach die Ohnmacht des “Ich weiß nicht, wie es jetzt noch weitergehen kann.” zu erleben. Und trotz dieses Unwissens gibt es etwas in uns, dass in der tiefe unserer Zellen die Geste des Weitergehens beherrscht. Etwas, das älter ist als unser bewußtes Ich, älter als die vernichtenden Emotionen. Es ist etwas, das eine beständige Liebesgeste an das Leben vollzieht. […] Ich habe das Bedürfnis, dass eine Erzählung weitergeht, dass es weitergeht auf den Wiesen und Mooren, den sichtvollen und sichtlosen, sogar den aussichtslosen Geländen. Ich habe das Bedürfnis, dass das Gehen weitergeht […]

Trost, Worte haben
Ein liebender Ruf nach den Worten
Dieser Text ist einer der ältesten auf dieser Seite und stammt aus einem Gedichtszyklus über die “Mnemosyne – die Muse der Erinnerung”. Die hat mich eine Weile sehr beschäftigt, weil ich verschiedene Arten des traumatischen Vergessens kenne: von kompletten Amnesien wie bezüglich Details der Mißhandlung durch eine Psychotherapeutin über “Gefühlsvergessen” – das heißt dem Erinnern ohne zugehörige Emotionen. Und wo die Mnemosyne fehlt, da fehlen uns auch die Worte, die wir so dringend benötigen. Textauszug:[…] Wir werden die entkommenen Kinder aus den Salzmeeren atmen lehren mit den Worten für die Schwarzflut, für den Würgeort, für die mundlosen Zeichen der Angst, für den Totenblumentrotz, für die Vergangenheit und für das andere auch, für die Wellen, die uns den Kopf nicht brachen, für die Wärme zwischen den Handkuhlen, für die Gezeiten, für die Kinder und den Trost: Worte werden wir haben. […]

Trost, Worte haben
Ein liebender Ruf nach den Worten
Dieser Text ist einer der ältesten auf dieser Seite und stammt aus einem Gedichtszyklus über die “Mnemosyne – die Muse der Erinnerung”. Die hat mich eine Weile sehr beschäftigt, weil ich verschiedene Arten des traumatischen Vergessens kenne: von kompletten Amnesien wie bezüglich Details der Mißhandlung durch eine Psychotherapeutin über “Gefühlsvergessen” – das heißt dem Erinnern ohne zugehörige Emotionen. Und wo die Mnemosyne fehlt, da fehlen uns auch die Worte, die wir so dringend benötigen. Textauszug:[…] Wir werden die entkommenen Kinder aus den Salzmeeren atmen lehren mit den Worten für die Schwarzflut, für den Würgeort, für die mundlosen Zeichen der Angst, für den Totenblumentrotz, für die Vergangenheit und für das andere auch, für die Wellen, die uns den Kopf nicht brachen, für die Wärme zwischen den Handkuhlen, für die Gezeiten, für die Kinder und den Trost: Worte werden wir haben. […]
Trost, Orte zu bleiben
Trost, Orte zu bleiben
Über die Sehnsucht nach der bleibenden Zuflucht
Auch dieser Text ist, wie “Trost, Worte haben” Teil eines Zyklus über das Erinnern und Vergessen. Lange Zeit habe ich mich selbst so wenig als “Haus für mich” empfunden, dass mir die Welt ohne möglichen Zufluchtsort erschien. Ich bin sehr dankbar, trotzdem eine Zuversicht entwickelt zu haben, den “Mädchen aus dem mundlosen Danach” einmal ein Zuhause sein zu können. Und noch dankbarer, das mehr und mehr erschlossen zu haben. […] Ich lade die Glasmädchen ein, die keinen Körper hatten, auf der Bauchdecke zu schlafen, wo das Wasser flach ist und warm und genug für das Tasten der Wellen kleiner Zeichen. Wenn eine nur noch die Augen bewegen kann, versteht man dort diese Sätze, meine Tastatur reagiert auf Wimpernschläge und ich schreibe mit den lachsfarbenen Zeichen Schwarz wie Melancholia oder Blauweiss wie Angst, wenn sie es wünschen, die Mädchen aus dem mundlosen Danach. […]

Ermüdungserscheinungen
Reflektionen zur Corona-Ausgangssperre
Das ist ein Text aus einer Serie von Kurztexten, die während des Corona-Lockdowns entstanden sind. In dieser Zeit habe ich eine neue Tradition begonnen: etwa 1x pro Woche habe ich an meine Freunde und Bekannten eine Kombination aus aktuellen Fotos und einem Text versendet, die diese besondere Zeit reflektieren und jeweils mit einer Frage enden. Es ist für mich unendlich berührend, wieviel digitaler Wärmeaustausch und unvermutete Nähe entstanden ist. Textauszug: […] …wo die Zäsur zum Alltag wird, verliert sie ihren Glanz. Sie verliert die leuchtende Schwärze des Abgrunds oder das überstrahlende Weiß des Möglichkeitsorts. Der lange Atem wird kürzer. Es ist der Alltag, der die Menschen müde macht. […]

Ermüdungserscheinungen
Reflektionen zur Corona-Ausgangssperre
Das ist ein Text aus einer Serie von Kurztexten, die während des Corona-Lockdowns entstanden sind. In dieser Zeit habe ich eine neue Tradition begonnen: etwa 1x pro Woche habe ich an meine Freunde und Bekannten eine Kombination aus aktuellen Fotos und einem Text versendet, die diese besondere Zeit reflektieren und jeweils mit einer Frage enden. Es ist für mich unendlich berührend, wieviel digitaler Wärmeaustausch und unvermutete Nähe entstanden ist. Textauszug: […] …wo die Zäsur zum Alltag wird, verliert sie ihren Glanz. Sie verliert die leuchtende Schwärze des Abgrunds oder das überstrahlende Weiß des Möglichkeitsorts. Der lange Atem wird kürzer. Es ist der Alltag, der die Menschen müde macht. […]
Türkis, zumindest – Szenen einer Triggerfacette
Türkis, zumindest
Szenen einer Triggerfacette
Dieser Text war eines der spannendsten Sprachexperimente für mich. So schrecklich es ist, ist es auch ein faszinierendes Erlebnis von etwas, das sih wie “Nicht-Ich” anfühlt, aber gleichzeitig von “Ich” wahrgenommen wird.Mit der Sprache in einen Triggerzustand zu schlüpfen ist so, als würde man in einen viel älteren Teil seines Gehirns schlüpfen, abwärts, ins Kleinhirn und prozedurale Gedächtnis vielleicht, in die ganz archaischen Strukturen, die normalerweise weit außerhalb von Sprache liegen. Als ich den Text einem Freund vorlas sagte er mir, für ihn wäre das wie ein direkter Zugang zu den Empfindungswelten seiner autistischen Tochter. Vielleicht, so hoffe ich, ermöglicht es dem ein oder anderen Zugänge zu etwas, das sich normalerweise jedem Zugang entzieht. Und trotzdem aus dem Riss der Verletzung aufsteigen kann, immer wieder.

Male
Numbing und der Schatten der Dumpfheit
Meine beiden Eltern sind mitten in den Krieg hineingeboren und haben doch so unterschiedlich reagiert. Dieser Text ist ein Versuch mich einer Variante – der lebenslangen Betäubung – zu nähern. Textauszug […]Er weiß nicht, wie er in ihre Abwesenheit hinein sprechen soll, ihre Abwesenheit und die Anwesenheit von etwas Unbenanntem, er wischt das Wort weg, das ist Frauengeschwätz. Sein Mund fühlt sich gefüllt an mit Wortlosigkeit, würden Frauen vielleicht sagen, er sagt nichts. Seine Zunge tatstet die Füllung im Mund ab, ein Klumpen, er ist substanzlos, aber zäh. Das ist nicht zu begreifen. Er möchte ihn ausspucken, aber er weiß nicht wie. Er öffnet den Mund und wischt mit der Hand davor, eine abwinkende Geste wie die Jungweizenfelder rechts den Wind abwinken, er winkt ab, aber es verschwindet nichts.[…]

Male
Numbing und der Schatten der Dumpfheit
Meine beiden Eltern sind mitten in den Krieg hineingeboren und haben doch so unterschiedlich reagiert. Dieser Text ist ein Versuch mich einer Variante – der lebenslangen Betäubung – zu nähern. Textauszug […]Er weiß nicht, wie er in ihre Abwesenheit hinein sprechen soll, ihre Abwesenheit und die Anwesenheit von etwas Unbenanntem, er wischt das Wort weg, das ist Frauengeschwätz. Sein Mund fühlt sich gefüllt an mit Wortlosigkeit, würden Frauen vielleicht sagen, er sagt nichts. Seine Zunge tatstet die Füllung im Mund ab, ein Klumpen, er ist substanzlos, aber zäh. Das ist nicht zu begreifen. Er möchte ihn ausspucken, aber er weiß nicht wie. Er öffnet den Mund und wischt mit der Hand davor, eine abwinkende Geste wie die Jungweizenfelder rechts den Wind abwinken, er winkt ab, aber es verschwindet nichts.[…]
Morgen (Vorsicht! Starke Triggergefahr)
Morgen –
Schuldumkehr und Wirklichkeitsverdrehung während der Tat
Dieser Text enthält so explizite Schilderungen physischer und sexueller Gewalt, dass ich an dieser Stelle auf einen Textauszug verzichtet habe. Er hat mir 2007 sehr geholfen die Dynamik von “blame the victim” Strategien von Tätern während Traumatisierungen zu verstehen. Diese Umdeutungen des tatsächlichen Geschehens machen es extrem schwer, eine Tat überhaupt erstmal als solche zu begreifen. Auch die Vermischung von alltäglicher Kommunikation und scheinbar aus dem Nichts kommender, bezugloser Gewalt verstärkt die weißen inneren Blasen der Unbegreiflichkeit, die für viele Opfer so schwer zu durchdringen sind.

Die Königin – der Weisspalast der Dissoziation
Textauszug: […] Mein Vater, der die Augen meines Vaters trägt und seine Hände, seinen Mund, mein Vater ist mein geheimer Junge.
Meine Mutter nennt ihn, wie sie auch seine Familie nennt. Meine Mutter nennt ihn: “Schuld” mit allen Sätzen. Mir, die ich seine Stimme, seine Augen, seine Stirn habe, gibt sie mit vielen Worten denselben Namen, den ich nicht tragen will, auch wenn er zuzeiten nach Macht riecht. Darum nenne ich Ihn, meinen Vaterjungen, mit ungesprochen Worten “Unschuld” und er dankt es mir, indem er in das Haus meiner Mutter mit seinen Vaterhänden ein zweites, ein nebelweißes baut. In dem wohnen zusammen nur: ER und ich. […]

Die Königin – der Weisspalast der Dissoziation
Textauszug: […] Mein Vater, der die Augen meines Vaters trägt und seine Hände, seinen Mund, mein Vater ist mein geheimer Junge.
Meine Mutter nennt ihn, wie sie auch seine Familie nennt. Meine Mutter nennt ihn: “Schuld” mit allen Sätzen. Mir, die ich seine Stimme, seine Augen, seine Stirn habe, gibt sie mit vielen Worten denselben Namen, den ich nicht tragen will, auch wenn er zuzeiten nach Macht riecht. Darum nenne ich Ihn, meinen Vaterjungen, mit ungesprochen Worten “Unschuld” und er dankt es mir, indem er in das Haus meiner Mutter mit seinen Vaterhänden ein zweites, ein nebelweißes baut. In dem wohnen zusammen nur: ER und ich. […]
Ratten – Trauma und Weltverlust
Momentaufnahme bei der Suche nach Weltwiedergewinnung
Eine der schrecklichsten Folgen von Trauma ist, dass ein Stück Welt abhanden kommt. Genesung ist deshalb vor allem das Wiedererlangen der Fähigkeit, die Welt wirklich anwesend in all ihrer Intensität zu erfahren. Diesen Weltzugang habe ich 2008, als er als Folge einer Retraumatisierung in der Therapie nur selten möglich war, mit der Metapher “Tor” bezeichnen können.
Textauszug […] Ich bin gerne da. Ich sehe dann die Kreise, die nackte Körper im beleuchteten türkisfarbenen Wasser zeichnen, ich sehe sie sonst auch, aber anwesend machen sie einen Sinn, welchen ist schwer zu erklären. Am ehesten machen sie vielleicht einen Bewegungssinn, einen huschenden, pulsierenden Sinn, den auch eine schlagende Ader macht. Ich bin gerne da und leide unter meiner Abwesenheit, die eigentlich geschaffen ist, einem Leid zu entkommen. […]

Fick mich (Achtung, Trigger!)
Toxische Beziehungswiederholungen
Textauszug: […] Er bläst die Lippen auf, rechts mehr als links, eine Parese, na und. Fick mich. Ein Fick mich Gesicht, das hat er ihr gesagt, in ihr Gesicht, da war doch nichts, nur eine Fläche, gar nicht mal hässlich, in die er es reingesagt hat „Du hast ein Fick mich Gesicht.“ Es war leicht. Sie hat ihn angesehen, er hat es gedacht und gesagt. Er hat gewusst, dass sie einknickt, natürlich, sie ist schon gebrochen, angebrochen. Er mag den Ton, wenn sie weiter reißen, ein zarter, schwebender Laut. […]

Fick mich (Achtung, Trigger!)
Toxische Beziehungswiederholungen
Textauszug: […] Er bläst die Lippen auf, rechts mehr als links, eine Parese, na und. Fick mich. Ein Fick mich Gesicht, das hat er ihr gesagt, in ihr Gesicht, da war doch nichts, nur eine Fläche, gar nicht mal hässlich, in die er es reingesagt hat „Du hast ein Fick mich Gesicht.“ Es war leicht. Sie hat ihn angesehen, er hat es gedacht und gesagt. Er hat gewusst, dass sie einknickt, natürlich, sie ist schon gebrochen, angebrochen. Er mag den Ton, wenn sie weiter reißen, ein zarter, schwebender Laut. […]
Er berührt sie
Versuch über das Vergessen
Das ist ein alter Text von 1999 bei dem ich noch deutlich weniger über die Neurophysiologie von posttraumatischen Amnesien wußte, aber mich der Wirklichkeitsverdrehung bei der Verarbeitung übergriffiger Berührungen angenähert habe. Ein Jahr vorher hatte ich einen Gewaltübergriff in einer Psychotherapie erlebt, für dessen traumatischen Kern ich auch eine Zeit lang amnestisch war.
Textauszug […] Er berührt sie und weil diese Berührung ohne ein Wollen ihrerseits geschieht berührt er sie nicht: er fasst sie an. […]

Caput mortuum
Über Vergangenes und Totes, das in unserem Nervensystem geisternd auf Erlösung wartet
Textauszug: […]Über den Boden kriechen die Toten. Natürlich tun sie das nicht. Ihre schleichende Bewegung ist kaum zu sehen. Sie möchten schlafen, endlich. Natürlich ist da nichts. Ich bin der Kunst dankbar, dass ich von Geistern schreiben kann, die es gibt und nicht gibt, da, hier, zur gleichen Zeit. In der Kunst bin ich dankbar für dieses Rätsel. […]

Caput mortuum
Über Vergangenes und Totes, das in unserem Nervensystem geisternd auf Erlösung wartet
Textauszug: […]Über den Boden kriechen die Toten. Natürlich tun sie das nicht. Ihre schleichende Bewegung ist kaum zu sehen. Sie möchten schlafen, endlich. Natürlich ist da nichts. Ich bin der Kunst dankbar, dass ich von Geistern schreiben kann, die es gibt und nicht gibt, da, hier, zur gleichen Zeit. In der Kunst bin ich dankbar für dieses Rätsel. […]
Mutterkorn, Sporen
Mutterkorn, Sporen-
Frühe Traumatisierungen und Partnerschaft
Ein schwebender, traumgleicher Text der aus der fiktiven Perspektive eines Mannes geschrieben ist, der die “Mutterkorn-Vergiftung” seiner Partnerin zu verstehen und zu lindern versucht. Er entstand in einer Zeit, in der ich zum einen unglücklich verliebt war, sich aber gleichzeitig eine neue Art zu schreiben öffnete, die in andere Räume vordrang – Körpererinnerungen und emotionalem Erinnern näher als der “deklarativen” Erinnerung, der Welt von Chronologien und Tatsachen, von der die Traumaräume oft abgeschnitten sind. Es ist in gewisser Weise auch eine Liebesgeschichte – ein liebender Versuch, wie er vielleicht in vielen Biografien vorkommt. […]Ich lege meine Hand vorsichtig an ihre schlafwarme Wange und lege das Gleiten in ihre Träume hinein, der vergiftete Roggen wird ferner, ich flüstere „Sieh mich. Ich sehe Dich schön.“ und sie seufzt in den Atem, den gesprochenen.[…]

Mutterkorn, Psycho
Die Rolle des Körpers beim Überschreiben traumatischer Erinnerungen
Dieser Text ist inspiriert von einer Szene aus dem Film “Psycho” von Alfred Hitchcock, mit der eine Künstlerfreundin arbeitete. Er hat mir viel darüber gezeigt, wie bedeutungsvoll die “Verschiebungen im Körper” beim Kontakt mit traumatischen Erinnerungen sind – oft wichtiger als die manchmal quälende Frage nach faktischer Genauigkeit. Textauszug:[…] Sie wird durch die leichte Verschiebung der Substanzen des Körpers vorbeigehen, sie wird sich bewegen können, sie wird eintauchen in das Dunkel, leicht, ohne Mühe in einer tastenden, sich neigenden, lauschenden Linie, einer eigenen Linie, beweglich, nicht blind.[…]

Mutterkorn, Psycho (Trigger)
Die Rolle des Körpers beim Überschreiben traumatischer Erinnerungen
Dieser Text ist inspiriert von einer Szene aus dem Film “Psycho” von Alfred Hitchcock, mit der eine Künstlerfreundin arbeitete. Er hat mir viel darüber gezeigt, wie bedeutungsvoll die “Verschiebungen im Körper” beim Kontakt mit traumatischen Erinnerungen sind – oft wichtiger als die manchmal quälende Frage nach faktischer Geauigkeit. Textauszug:[…] Sie wird durch die leichte Verschiebung der Substanzen des Körpers vorbeigehen, sie wird sich bewegen können, sie wird eintauchen in das Dunkel, leicht, ohne Mühe in einer tastenden, sich neigenden, lauschenden Linie, einer eigenen Linie, beweglich, nicht blind.[…]
Mutterkorn, Showdown (Trigger)
Mutterkorn, Showdown –
Abwendungen vom Paradigma der Katharsis
Lange Zeit dachte ich, Traumaheilung bedeutete einen großen Showdown: es käme zu einer Öffnung der “Büchse der Pandora”, alle verschlossenen Erinnerungen stünden auf einmal glasklar zur Verfügung und würden nach einer dramatischen, kathartischen Entladung auf ewig verschwinden. Eine Idee mit der ich mir – ich muss es eingestehen – sehr geschadet habe. Die Subtilität der inneren Bewegungen habe ich erst viel später verstanden. […] Ich denke, sie wünscht sich ein Sehen, ein Erkennen wie ein Showdown, dem die Rettung, die immerwährende Rettung folgt. Ich weiß nicht, ob es gelingt. […]

Mutterkorn, Milchtritt
Abschied und die Eröffnung eines Feldes von Zärtlichkeit
Mit dem Abschied von der inneren toxischen Mutter tauchte auf einmal eine unvermutete Zärtlichkeit im Verhältnis zu meiner realen Mutter auf. Und auch die Erkenntnis: die, die sie war, ist fort. Und die, die jetzt ist, ist eine andere. Textauszug:[…] Heute gehe ich auf mein eigenes Feld, hindurch durch Erde zu der Frage, wie man andere Mütter schreibt, Jüngeres und Älteres und zwischen ihnen ein wachsendes Gespinst im weicheren Licht. Ich versuche, meine jüngeren Wörtern gegenüber eine gute Mutter zu sein und sie einströmen zu lassen in die Leerstelle eines unvermutet auftauchenden „Du bist fort.“ […]

Mutterkorn, Milchtritt
Abschied und die Eröffnung eines Feldes von Zärtlichkeit
Mit dem Abschied von der inneren toxischen Mutter tauchte auf einmal eine unvermutete Zärtlichkeit im Verhältnis zu meiner realen Mutter auf. Und auch die Erkenntnis: die, die sie war, ist fort. Und die, die jetzt ist, ist eine andere. Textauszug:[…] Heute gehe ich auf mein eigenes Feld, hindurch durch Erde zu der Frage, wie man andere Mütter schreibt, Jüngeres und Älteres und zwischen ihnen ein wachsendes Gespinst im weicheren Licht. Ich versuche, meine jüngeren Wörtern gegenüber eine gute Mutter zu sein und sie einströmen zu lassen in die Leerstelle eines unvermutet auftauchenden „Du bist fort.“ […]
M, Verschluckungen
M, Verschluckungen-
Abtastung eines Täterintrojekts
Durch den unglücklichen (und auf seltsame Weise künstlerisch auch glücklichen) Umstand, dass ich aufgrund eines Gewaltübergriffes in der Psychotherapie lange Zeit keine Therapie machen konnte, habe ich sehr tief selber geforscht. Dabei bin ich auch auf die Arbeit mit etwas gestoßen, für das ich erst viel später den wissenschaftlichen Namen “Täterintrojekt” gefunden habe. Aus dieser Arbeit ist dieser Text entstanden – ebenso wie die Bilderserie “MERGE” […]”Ich habe Dich verschluckt.“ – das ist das Mantra eines versuchten Verständnisses, von mir, nicht von Dir. Ich habe Dich verschluckt, damit etwas Fremdes Ich werden konnte. Ich habe mich geirrt: Du wurdest nicht Ich, Du wurdest das Fremde in mir, M. eine Andere. […]